Pritzker-Preis 2022: Diébédo Francis Kéré bringt soziale Gerechtigkeit in die Architektur
Diébédo Francis Kéré wurde am Dienstag, den 15. März 2022 mit der höchsten Auszeichnung der Architekturwelt gewürdigt. Damit geht der Pritzker-Preis 2022 erstmals an einen Vertreter des afrikanischen Kontinents.
Von Burkina Faso nach Berlin: Einer der auszog, um zu lernen
Diébédo Francis Kéré wurde 1965 in Burkina Faso als ältester Sohn des Dorfvorstehers geboren und durfte als erstes Kind der Gemeinde eine Schule besuchen. Dafür zog er mit sieben Jahren zu einer Gastfamilie und lernte im weit entfernten Tenkodogo in einem kleinen, überfüllten Klassenzimmer. Schon damals fiel ihm auf, dass nach jeder Regenzeit der Lehmputz der Häuser ausgebessert werden musste, und überlegte, wie sich diese harte Arbeit vermeiden ließe. Mit einem Stipendium und dem bescheidenen Wunsch, die Häuser seiner Heimat zu modernisieren, kam er 1985 nach Berlin. Hier machte er zunächst eine Ausbildung zum Tischler und besuchte abends das Gymnasium, um nach dem Abschluss an der Technischen Universität Architektur zu studieren.
Eine Grundschule aus Lehm ebnet den Weg für eine bemerkenswerte Laufbahn
Noch während seines Studiums arbeitete Kéré an einem Projekt, das nicht nur seine Karriere lenkte, sondern die Zukunft vieler junger Menschen: Mit einer Grundschule wollte er es den Kindern in seinem Heimatdorf Gando ermöglichen, bessere Bildung zu erlangen. Frische Luft und gedämpftes, natürliches Licht sollten beim Lernen unterstützen – anders als in dem düsteren, stickigen Schulhaus, in dem Kéré selbst Lesen und Schreiben lernte.
Schon 1998 gründete Kéré eine eigene Stiftung, um Spenden zu sammeln und die Entwicklung von Projekten und Partnerschaften in Gando voranzubringen.
2001 wurde die Gando Primary School eingeweiht und wuchs in den Jahren darauf um weitere Klassenzimmer, eine Unterbringung für Lehrer (2004) und eine Bibliothek (2019). Sein Architekturstudium schloss Kéré 2004 ab und gründete ein Jahr später sein eigenes Büro in Berlin-Kreuzberg.
Lokales Handwerk und westafrikanische Traditionen treffen moderne Baukunst
Die Grundschule in Gando gab den Auftakt für Kérés Ziel, mit seiner Arbeit Gemeinschaften zu gestalten, soziale Ungerechtigkeiten zu beseitigen und das Leben von Menschen zu verbessern. Dafür verbindet er moderne Baukunst mit den Traditionen, dem lokalen Handwerk und den Bräuchen seines Landes. Für die Grundschule in Gando mischte er zum Beispiel dem Lehm etwas Zement bei, um den ökologischen Baustoff widerstandsfähiger zu machen.
Mit lokalen Materialien und technologisch verfeinerten Bautechniken wie Doppeldächern, Windtürmen und natürlichen Belüftungssystemen konstruiert er moderne Gebäude, die sowohl sozial als auch ökologisch nachhaltig sind. Seine Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, Wohnungen und öffentlichen Bauten schaffen Perspektiven für Menschen und stärken ganze Gemeinden. Dieses Engagement sieht er selbst nicht als Arbeit, sondern als „private Aufgabe‟ und „als Pflicht gegenüber der Gemeinschaft‟.
Soziale Projekte und kunstvolle Pavillons rund um den Globus
Seine Bauwerke finden sich heute in vielen afrikanischen Ländern, unter anderem in Mali, Uganda, Togo, Kenia und Mosambik. Daneben realisierte er Bauprojekte, Pavillons und Installationen in den USA und in Europa. Zu seinen bekanntesten Projekten gehören zum Beispiel der Xylem-Pavillon im Tippet Rise Art Center in Montana (USA, 2019), das Krankenhaus Léo Doctors' Housing (Burkina Faso, 2018), die Lycée Schorge Secondary School (Burkina Faso, 2016) und der Nationalpark von Mali (2010). Internationale Aufmerksamkeit erhielt auch seine Arbeit am noch unvollendeten Operndorf in Laongo (Burkina Faso), das aus der Idee des 2010 verstorbenen Regisseurs Christoph Schlingensief hervorging.
Auch in der Bildsprache und Symbolik greifen die Entwürfe von Francis Kéré westafrikanische Traditionen auf. So ist zum Beispiel der Serpentine Pavillon in London (2017) von der Form eines Baumes inspiriert. Auch die derzeit entstehende Nationalversammlung von Benin erinnert an einen alten Palaverbaum. Weitere Projekte des Pritzker-Preisträgers sind bereits in Planung oder im Bau, darunter das Goethe-Institut in Dakar (Senegal), eine freie Waldorfschule im oberbayrischen Weilheim sowie ein Forschungsturm an der Technischen Universität München.
Pritzker-Preisträger 2022 als Vorbild für gerechte, nachhaltige Architektur
Mit seinem tiefen Respekt vor Geschichte, Tradition und zeitgenössischen Humanismus sei Francis Kéré „ein Leuchtfeuer in der Architektur‟, so die neunköpfige Jury des Pritzker-Preises 2022. „Er weiß intuitiv, dass es bei Architektur nicht um das Objekt geht, sondern um das Ziel‟, heißt es in der Begründung für die Auszeichnung und weiter: „Seine kulturelle Sensibilität sorgt nicht nur für soziale und ökologische Gerechtigkeit, sondern leitet seinen gesamten Prozess. Er hat uns gezeigt, wie Architektur die Bedürfnisse der Menschen auf der ganzen Welt widerspiegeln und bedienen kann.‟
Doch nicht nur als Architekt ist Francis Kéré erfolgreich. Auch mit Entwürfen für Möbel wie Stühlen und mit künstlerischen Installationen ist er bei Ausstellungen rund um den Globus vertreten.
Nebenbei lehrte er an renommierten Hochschulen wie der Harvard University, der Yale School of Architecture und der TU München.
Pritzker-Preis: Seit 1979 die wichtigste Auszeichnung der Architekturwelt
Mit Francis Kéré geht der mit 100.000 Dollar (umgerechnet knapp 91.000 Euro) dotierte Architekturpreis der Hyatt-Foundation erstmals an einen Architekten des afrikanischen Kontinents. Der Pritzker-Preis gilt als renommierteste Auszeichnung der Branche und würdigt bereits seit 1979 internationale Größen wie Zaha Hadid, Norman Foster und I.M.Pie. 2021 ging der Pritzker-Preis an das französische Architekten-Duo Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal, zuvor an die irischen Architektinnen Yvonne Farrell und Shelley McNamara von Grafton Architect.
Welche Bauwerke und Leistungen von Francis Kéré beeindrucken Sie besonders? Teilen Sie Ihre Meinung zum Pritzker-Preisträger 2022 in den Kommentaren.
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