Bauen der Zukunft: Erstes Carbonbeton-Haus entsteht in Dresden
Rund 70 Millionen Kubikmeter Stahlbeton werden pro Jahr im deutschen Bauwesen verbaut. Doch gerade dieser ist alles andere als umweltfreundlich. Damit der Stahl nicht rostet, muss er mit einer dicken Schicht Beton verkleidet werden. Das verbraucht große Mengen wertvoller Ressourcen wie Sand, Kies, Zement oder Wasser und verursacht deutliche CO²-Emissionen.
Eine Alternative könnte zukünftig der Verbundwerkstoff Carbonbeton sein und so das Bauwesen deutlich nachhaltiger gestalten. Mittlerweile beteiligen sich mehr als 140 Forschungseinrichtungen, Baufirmen und öffentliche Einrichtungen an dem deutschen Bauforschungsprojekt „C³“ (Carbon - Concrete - Composite); das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt das Projekt mit 45 Millionen Euro.
Carbonbeton: Weniger Beton, weniger Energiewaufwand
Gegenüber Stahlbeton verbraucht Carbonbeton deutlich weniger Beton. Das macht den Verbundwerkstoff leichter, filigraner und umweltfreundlicher.
Laut Experten der TU Dresden werden beim Material 80 Prozent und bei CO²-Emissionen 50 Prozent gespart. Der Clou: Trotzdem ist Carbonbeton sechsmal belastbarer als Stahlbeton und haltbarer. Für Stahlbetonbauten schätzt man die typische Nutzungsdauer zwischen 40 bis 80 Jahren; beim Carbonbeton werden mindestens 200 Jahre erwartet.
Kohlenstofffasern: Zehnmal dünner als das menschliche Haar
Schon seit den 90er Jahren forschen Wissenschaftler an der Kombination von Beton und Kohlenstofffasern, die zehnmal dünner sind als das menschliche Haar. In der Herstellung werden rund 50.000 von ihnen zu einem Garn zusammengefasst und zu stab- oder mattenförmigen Strukturen gewebt, die sich später in jede Form bringen lassen. Das Verfahren macht zukünftig deutlich filigranere Bauwerke aus Beton möglich. Auch am Recyclingprozess tüftelt man bereits. Untersuchungen zeigen, dass sich Kohlenstofffasern und Beton trennen und wiederverwenden lassen.
Erstes Carbonbeton-Haus entsteht in Dresden
Auf dem Gelände der TU Dresden entsteht derzeit sogar ein erstes Carbonbeton-Haus. Die verantwortliche Forschungsgruppe will mit dem 220 Quadratmeter großen Neubau „Cube“ von Henn Architekten die Praxis- und Langzeittauglichkeit des Verbundwerkstoffs erforschen, Möglichkeiten der Architektur zeigen und Kosten analysieren.
Das Carbonbeton-Haus besteht aus zwei konstruktiven Bauteilen:
- Mittelpunkt des zweistöckigen Gebäudes ist ein Kubus (BOX), der aus vorgefertigten, vier Zentimeter dünnen Carbonbeton-Fertigteilen aus dem Betonwerk Oschatz in Sachsen besteht. Die serielle Vorfertigung könnte auch im privaten Wohnungsbau zukünftig ein wichtiges Argument für Carbonbeton sein. Transport und Montage der Bauteile sind einfacher möglich; auch die Unfallgefahr für Arbeiter auf dem Bau wird reduziert.
- Das 30 Meter lange und in sich verdrehte Dach (TWIST) besteht aus zwei Lagen Carbonbeton und einer dazwischenliegenden Styropordämmung. Die Herausforderung: Wegen seiner geschwungenen Form lässt sich der Beton nicht in eine Schalung gießen, sondern muss von Hand gespritzt und Stück für Stück aufgebaut werden.
Zukünftig soll das Gebäude Platz für ein Laboratorium und Veranstaltungen der TU Dresden bieten; die Fertigstellung ist im Frühjahr 2022 geplant.
Sanierungsfall Brücken: Nutzungsdauer mithilfe von Carbonbeton verlängern
Soweit die Forschung. Doch was tut sich in der Praxis? Um Brücken zu verstärken, kommt Carbonbeton bereits seit Längerem zum Einsatz. Ein wichtiges Anwendungsfeld, denn ein großer Teil der deutschen Stahlbetonbrücken ist in einem schlechten Zustand und müssen saniert werden. Absolventin Nina Josiane Giese vom Institut für Massivbau an der TU Dresden hat zu diesem Thema experimentiert. In einem Pilotprojekt im Landkreis Bautzen setzte sie eine Biegeverstärkung aus Carbonbeton für eine 1951 gebaute Stahlbetonplattenbrücke um.
Ihre Ergebnisse bündelte sie in einer Diplomarbeit und wurde dafür mit dem „Preis der Bauindustrie Ost“ ausgezeichnet.
Ebenfalls im Landkreis Bautzen in der Ortschaft Wursten entsteht eine Brücke, deren Überbau ausschließlich aus Carbonbetonstäben- und matten bestehen soll. Die Brücke soll für den Schwerlastverkehr mit einem Fahrzeuggewicht von über 40 Tonnen zugelassen werden.
Tipp: Wer sich Carbonbeton einmal aus der Nähe ansehen möchte, hat dazu im Deutschen Museum in München die Gelegenheit. In der Abteilung Brücken- und Wasserbau gehört eine Brücke aus Carbonbeton zu den Exponaten
Carbonbeton: Baustoff der Zukunft?
Carbonbeton könnte das Bauwesen zukünftig auf den Kopf stellen, wie andere Initiativen einen Beitrag zum Umweltschutz leisten und filigranere Bauweisen ermöglichen. Bis zur Marktreife wird es allerdings noch dauern. Carbonbeton ist deutlich teurer als Stahlbeton. Ein Kilogramm Stahlbeton kostet in der Herstellung rund 1 Euro, ein Kilo Carbonbeton 20 Euro. Weil aber bis zu 80 Prozent Material gespart werden können, könnte der Gesamtpreis sinken.
Ein weiterer Wermutstropfen: Derzeit wird Carbonbeton noch aus erdölbasierten PAN-Fasern hergestellt. Allerdings sollen zukünftig auch andere Stoffe infrage kommen; zum Beispiel Lignine, ein „Abfallprodukt“ aus Holz, das bei der Papierherstellung übrigbleibt.
Rund 1,6 Milliarden Tonnen Zement, zehn Milliarden Tonnen Sand und Kies und eine Milliarde Liter Wasser werden pro Jahr weltweit im Betonbau verwendet. Lässt sich der Anteil an Beton reduzieren, bedeutet dies ein Meilenstein für im ökologischen Wohnungsbau und wird zur interessanten Alternative zu Holz.
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